Im Kapitel für diese Woche geht es weniger um die Fragen, die wir auf den ersten Blick sicher mit Identität verbinden: wer bin ich als Kreative, wofür stehe ich, welche sind meine Themen, mein roter Faden, usw. Vielmehr geht es darum, Abstand zu dem zu schaffen, das uns in alten Mustern, in altem Sein hält: vor allem auf dem Spielplatz unserer Zweifel. Dazu tragen bestimmte Menschen am Stärksten bei; je nachdem, wie wir da Kontakt haben. Da ich persönlich sehr asozial/selektiv-sozial bin (va. Autismus läßt grüßen), habe ich eh kaum tatsächlich regelmäßig, geschweigedenn häufige Kontakte und wenn doch, dann sind das Menschen, mit denen ich mich so ruhig und so sehr Ich fühlen kann, wie es für mich möglich ist in Gesellschaft.
Das Kapitel benennt also Menschen, die ggf. selbst kreativ sind bzw. es gern häufiger/intensiver/“richtiger“ wären, aber feststecken, jedoch „lieber“ noch stagnieren, weil Reflexion, raus aus Komfortzone und Erholung bzw. Heilung beginnen eben echt eine Stange Arbeit ist. Und auch Menschen, die Drama zu atmen scheinen. Auch etwas, das uns traumatisierte Seelen (und ich glaube, daß so ziemlich jeder von uns seine Portion Trauma abbekommen hat) anzieht, weil sich diese Mischung aus Unvorhersehbarkeit, Unsicherheit und was nicht noch leider so vertraut anfühlt. Wie heißt es so schön? We prefer known hells over unknown heavens – Heleny Onneby. Na, wer kann davon noch ein Lied singen? Oder ein Album erstellen? Eine Oper zu schreiben?
Daß es so oft so viel leichter ist, einfach zu machen, einfach zu schreiben, als weiter im Kopf zu bleiben und zu phantasieren (so ein sicherer Platz.. ), betont das Kapitel ebenfalls und ja, davon kann ich zum Glück auch schon ein Lied singen. Immerhin eins. So im Verhältnis. Da fällt mir ein, daß mir meine Entwicklung einer Fitnessroutine ein wundervolles Vorbild für Prozeß und den Prozeß lieben lernen ganz allgemein ist, mich aber vor allem für´s Schreiben motiviert. Bis ich da meine beste Zeit, meinen Ablauf gefunden hatte, welche Musik für was (Kraft und Laufband, rudern) und diese auch so zu ergänzen und erneuern, wie ich Lust habe (ehrlich, Musik macht da für mich einen Unterschied – da fehlen mir noch die Worte für). Und mit der Zeit auch zu merken, daß mein Unterbewußtsein da das Ruder an sich gerissen und meinem Ego sagen kann: machen wir. Jetzt. Weil: tut gut. Brauchen wir. Komm, rausrollen aus dem Bett.
Jedenfalls versuche ich, dieses Wissen, das ich fühle, dieses Feuer nun auf´s Schreiben zu übertragen. Und das Ruder der Kreativen in mir zu überlassen – auch wenn ich nur eine ganz bedingte Ahnung habe, wie sie so über´s Wasser steuert. Wie wild wird´s? Versucht sie Salti mit dem Boot? Kann sie das vielleicht ganz natürlich mit links oder wird sie üben weil sie da unglaublich Spaß dran hat und kreischt wie irre? Oder drehen wir uns einfach um 180° und uns wachsen im Wasser kiemen? Jede Menge Fragen. Doch ich vertraue ihr, weil ich weiß, daß sie mein Bestes im Sinn hat. Sie liebt, was sie tut. Sie will schließlich leben. Ohne Wenn und Aber. Sie ist absolut risikofreudig, doch sie weiß auch, wann sie sich besser etwas zurückhält.
Es geht darum, daß wir uns wieder ernstzunehmen lernen. Unsere Werte, unsere Wünsche, das, was uns Freude bereiet (ist ein großes Thema für mich, das mit jeder Menge alter, tiefer Wunden versehen ist; unterwegs mehr). Grenzen erst für uns selbst herauszuarbeiten, uns ja auch selbst gegenüber im Alltag umzusetzen und einzuhalten und anderen gegenüber zu kommunizieren, zeigt, ob und wie sehr wir uns lieben, respektieren, um unseren Wert wissen und daß wir all das leben wollen. Und wer das nicht versteht (oder verstehen lernt), nicht respektiert, der wird aus gutem Grund künftig nicht mehr als notwendig von uns hören.
Was mir vorhin im Tagebuch noch aufkam: so viele von uns haben zu spüren oder gar zu hören bekommen, daß wir zu irgendwas sind. Das haben wir über die Jahre so verinnerlicht, daß wir das selbst anwenden (um vorwegzunehmen, bevor es jemand anderes sagt oder uns spüren lässt?). Auf uns und wie wir sind, was und wie wir was sagen, … alles. Auch ein absolut gigantisches Thema als Frau (Stichwort ua. male gaze), dem ich mich im Blog unter Augusta Hennig stelle.
Und ich dachte mir vorhin so: warum, all die Notizen, die ich nun schon seit Jahren sammle bzw. eher anhäufe, denn sammeln setzt ja doch eben jene Intention voraus – warum teile ich die nicht einfach?
Weil sie zu kurz sind, zu lang sind, zu direkt, zu sanft, zu unpassend, zu … was auch immer.
So ein Quatsch. Ich meine, klar, wenn ich sie so roh und nackt durchlese, sicher. Aber das ist doch mit allem an Kunst, beim Kreativsein so. Und wenn ich da was draus machen will, dann finde ich doch einen Weg, wie ich die Notiz so bearbeite und umwandle, daß es passt. Daß sie so wird, wie sie sein will und wie ich mich wohl mit ihr fühle. Gedanke an der Stelle vornweg: ich glaube nicht, daß ich mich dahingehend Perfektionsmus stellen muss, einfach weil ich sehr intuitiv vorgehe und das schon bei den Veröffentlichungen letzten Sommer gemerkt habe (vor allem der 13. Fee, weil neues Werk): ich spüre, wann es so langsam passt, neige dann noch paar Mal den Kopf und wäge ab, spüre nach, schlafe vielleicht noch eine Nacht oder so drüber, lass es liegen und ja. Gut ist. Oder ein Wort will doch noch ersetzt werden. So oder so. Dafür ist schließlich das Überarbeiten da.
Und ist es nicht gleichzeitig eine wunderbare Art, mich eben jener verinnerlichten Stimme zu stellen? Bisher ist das via Tagebuch passiert und das wird es weiter. Doch indem ich aktiv bin, kreativ bin, kitzele ich diese Stelle ganz anders und zeige ihr: okay, und nun, Großmaul? Was gibt´s jetzt zu kommentieren? Hat doch alles weder Hand noch Fuß, du. Aber hauptsache mimimi.
Lassen wir uns überraschen, wie es wird und was da so kommt.
Ich liebe es, wie alles so miteinander verwoben ist und teils völlig zusammenhangslos auftaucht (und das sage ich mit adhs! alle meine Abzweige wenn ich erzähle haben einen Zusammenhang!) – mir kam gerade das Bild von diesem großen Regenbogen-Tuch auf, Schule, jeder hält fest und einer wirft einen Ball drauf und los geht´s. Wobei man da noch sehen und ungefähr ausmachen konnte, dank Physik oder so, wo der Ball hinfliegt – aber ihr wisst, was ich meine.
In diesem Kapitel ging´s auch um Aufmerksamkeit: „survival lies in sanity, and sanity lies in paying attention.“ (S. 53, Z. 9-10) „The quality of life is in proportion, always, to the capacity for delight. The capacity for delight is the gift of paying attention.“ (Z. 16-18) und: „the reward for attention is always healing.“ (Z. 31), sowie: „attention is an act of connection“ (Z. 35-36)
Woraus sich so ungefähr ergibt: der Moment jetzt und hier ist sicher. Alle Reisen und Prozesse Moment für Moment zu nehmen. Nicht nur in Schritte aufzubrechen, weil jeder Schritt für sich machbar ist, sondern den jeweiligen Schritt auch als Moment wahrzunehmen – sich in ihn fallen zu lassen und zu fühlen, ihn zu erleben. Ich glaube, vor allem das macht den Unterschied ob man einfach einem Ziel nachgeht und dann dem nächsten und nächsten; oder ob man lebt.
Denn indem wir im Moment sind, sind wir bei uns. Vor allem auch mit uns selbst verbunden und spüren sehr viel leichter, ob das, was wir tun und wie wir es tun, uns entspricht. So entdecken wir Möglichkeiten zur Veränderung leichter und sind entspannter, sie anzugehen und umzusetzen.
Drei schöne Erinnerungen, die sie nebst weiteren 8 teilt:
Kleine und machbare Ziele zu setzen. Amie (inspiredtowrite) meinte immer so schön: setz dir ein absolutes Minimum – und jetzt mach es noch etwas kleiner. Dann schaffst du es auch. Völlig egal, wie lächerleich klein es zu sein scheint (da jammert unser Ego einfach nur rum)
Es ist sehr viel anstrengender und schmerzhafter weiterhin blockierte Kreative zu sein, als einfach kreativ zu sein. (frei übersetzt)
Es ist meine Aufgabe, kreativ zu sein und diese Arbeit/“Arbeit“ zu tun – nicht, sie zu bewerten.
Ich zieh zurück auf Balkonien und genieße gleich ein fantastisches Mittag (Salaaat). Die Sonne scheint durch eine milchige Wolkenschicht und Wind rauscht durch die Ahörner vor meinem Balkon, die Luft schwer von allen Düften jetzt im Mai – mir platzt das Herz vor Dankbarkeit und Genuß.
Und so mach ich mir noch ein paar Gedanken zu meinen kleinen, machbaren Zielen.. das ist verzwickt, weil mein Dopamin-Fasching ganz schön bei Laune gehalten werden möchte und daher von einem Projekt zum nächsten springt wenn etwas langweilig zu werden droht. Aber hey, springt auch wieder zurück. Moment für Moment.
lasst es euch auch so gutgehen daß euch das Herz vor Dankbarkeit platzt!
Liebst,
Annie